Benimm-Expertin im Interview
Ist Knigge vom Aussterben bedroht?
Teilen auf
Jena. Mein Gott, muss ich mich tatsächlich entschuldigen für ein Niesen? Oder etwa der doch so emanzipierten Frau die Tür aufhalten? Die Jenaer Nachrichten sprachen über akzeptables Benehmen mit Annett Schlegel, IHK zertifizierte Trainerin für Kommunikation, Umgangsformen und Kniggeregeln.
Jenaer Nachrichten: Frau Schlegel, wie ist das heutzutage mit der Höflichkeit, dem richtigen Benehmen?
Annett Schlegel: Das mag ein wenig in den Hintergrund getreten sein. Respektvolles und angemessenes Benehmen kommen nie aus der Mode. Das sollte jedem Menschen zu Eigen sein. Wenn ich höflich behandelt werden möchte, muss ich mich dem Anderen gegenüber auch so verhalten.
JN: Kann man sich in dem detaillierten Regelwerk - Stichwort Kniggeregeln - nicht auch verirren?
Schlegel: Das 1 x 1 des guten Benehmens kann man lernen. Das zeigen z.B. meine jahrelangen Erfahrungen in Kursen für junge Menschen, die vor der Jugendweihe, Kommunion oder Konfirmation stehen. Die Erfahrungen im Berufsalltag bezeugen außerdem, dass Respekt und Anstand schon die eine oder andere Tür geöffnet haben.
JN: Man muss sich also auch verstellen können?
Schlegel: Wichtig ist, dass man im Umgang mit anderen Menschen authentisch bleibt. Grundregeln einzuhalten muss dem nicht widersprechen. Natürlich muss das jeder für sich selbst entscheiden. Richtig miteinander zu kommunizieren, besitzt für die eigene Persönlichkeit eine riesige Bedeutung. Dies gilt sowohl für den privaten als auch für den beruflichen Alltag.
JN: Muss richtiges Benehmen nicht mit der Zeit mitgehen?
Schlegel: In manchen Fällen schon. Bestimmte Grundnormen, die in unseren Breitengraden gelten, bleiben dagegen unverändert. Zum Beispiel der 50 bis 80 cm große Abstand zwischen zwei Gesprächspartnern. In anderen Ländern gelten anderen Normen. Oder nehmen wir den Smalltalk. Sicher ist das keine einfache Situation. Dennoch ist klar, dass bestimmte Themen wie Krankheit, Tod oder Politik auf dieser Kommunikationsebene tabu sind.
JN: Zum Schluss drei Klassiker-Fragen: Wie benutze ich korrekt Messer und Gabel?
Schlegel: Messer und Gabel werden im hinteren Drittel angefasst. Das Messer wird nur zum Schneiden genutzt und nicht, um damit die Speise auf die Gabel zu schieben. Und ganz wichtig: Das Essen wird zum Mund geführt und nicht umgekehrt.
JN: Wie reagiere ich, wenn ich genießt habe?
Schlegel: Im Business oder in der Schule sage ich selbst "Entschuldigung". Wenn ein Anderer mir "Gesundheit" wünscht, antworte ich mit "Danke".
JN: Hält ein Mann einer Frau noch die Tür auf?
Schlegel: Im Berufsalltag geht es sehr stark nach Hierarchien. Dagegen im privaten Alltag gehört es nach wie vor zu den Höflichkeitsregeln, der Frau die Tür offen zu halten. Glauben Sie mir, Frauen freut das auch heute noch.
Interview: Andreas Wentzel