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Not macht erfinderisch

Chorproben auf dem Jenaer Friedensberg

Eine Chorprobe des Collegiums Vocale auf dem Jenaer Friedensberg.
Eine Chorprobe des Collegiums Vocale auf dem Jenaer Friedensberg.
Foto: Jannis Remm
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Es stimmt: Not macht erfinderisch. Seit kurzem nutzen zwei Chöre der Universität Jena das Friedensberg-Denkmal als Open-Air Kulisse für ihre Proben.

Jena. Da die Chorsängerinnen und Chorsänger geschlossene Räumlichkeiten für ihre Proben auf Grund der Corona-Verordnungen nicht mehr nutzen durften, hatten der Psycho-Chor Jena e.V. sowie der Studierendenchor der Universität Jena, das Collegium Vocale, unabhängig voneinander die Idee, ihre Proben unter freiem Himmel auf dem Friedensberg abzuhalten.

Zumindest über den Sommer, bis sich eventuell wieder neue Möglichkeiten auftun. Unterstützung bekamen sie dabei von den beiden städtischen Eigenbetrieben JenaKultur als Nutzer des Denkmals sowie Kommunale Immobilien Jena als Verwaltungsträger, die dies beide als eine weitere gute Variante der Belebung des leider oft negativ in den Schlagzeilen stehenden Kriegerdenkmals für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges ansehen.

Das von Emil Högg entworfene und 1929 eingeweihte Rondell auf der ehemals Hainberg genannten Erhöhung in Jena-West, welches als zentraler Gedenkort der Stadt für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges errichtet wurde, erfuhr wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit der neuen Inschrift „Die Toten der Kriege mahnen zum Frieden“ eine Umwidmung in ein allgemeines Friedens-Mahnmal.



Die Bedeutung des Denkmals geriet über die Jahre in der Öffentlichkeit mehr und mehr in Vergessenheit. Vandalismusschäden wie z.B. Graffitibeschmierungen, Müll, Glasscherben und Reste von Lagerfeuern prägen heute das Bild.

Das Mahnmal zeigt sich trotz regelmäßiger Reinigungsmaßnahmen durch die Stadt weitestgehend in einem ungepflegten unwürdigen Zustand. Das Areal wird von der Öffentlichkeit gemieden.

Dass dies nicht so bleiben muss, zeigen Aktivitäten vielfältiger, zum Teil unkonventioneller Nutzungen, kulturelle Veranstaltungen und Kunstprojekte der jüngeren Vergangenheit.

So fand am Volkstrauertag im November 2017 eine öffentliche Podiumsdiskussion zum Kriegsgedenken anlässlich der Vorbereitungen zum 100. Jahrestag der Beendigung des Ersten Weltkrieges statt, in deren Fokus das Friedensbergdenkmal und seine künftige Nutzung stand.

2018 beging die Stadt dann diesen Jahrestag mit verschiedenen Aktionen und Veranstaltungen, bei welchem im November das deutsch-französische Weekend „Von Feinden zu Freunden. Ein europäisches Gedenkmosaik“ im Mittelpunkt stand.

Kernpunkte dieses Wochenendes bildeten der Tag der Stadtgeschichte sowie ein europäisches Theaterevent mit deutschen, französischen und ukrainischen Laiendarstellern auf dem Friedensberg.



Überhaupt scheint die Öffnung des Denkmals für verschiedene kulturelle Nutzungen, wie Theateraufführungen und temporäre Kunstausstellungen, ein erfolgreiches Modell zu sein, um die Akzeptanz des Denkmals vor allem bei jüngeren Nutzern zu erhöhen. Dies haben die Erfahrungen solcher alternativer Nutzungen in 2005, 2011, 2017 und 2018 gezeigt.

Seit 2019 läuft nun ein künstlerisches Projekt mit einem jungen Berliner Künstler Benjamin Walther, dessen Ziel es sein soll, eine dauerhafte künstlerische Intervention innerhalb der Denkmalsanlage in 2021 zu errichten.

Und nun die musikalische Nutzung durch Chöre! Seit letzter Woche werden über den Sommer fast an jedem Tag der Woche abends Proben stattfinden. Voraussetzung bildet ein vom Gesundheitsamt streng geprüftes Hygienekonzept.

Bis vor kurzem gestattete dies Proben im Schichtbetrieb mit jeweils maximal 6 Sängerinnen und Sängern. Nun dürfen 30 Teilnehmer gleichzeitig vor Ort im Freien proben.

Die Chormitglieder freut es allemal. Fabian Pasewald vom Collegium Vocale bringt es in diesem Sinne auf den Punkt: "Da kommen junge Eltern mit ihren Kindern und lauschen minutenlang in mehreren Metern Entfernung unserer improvisierten Chorprobe unter Corona-Bedingungen und bedanken sich dann dafür, dass wir die Musik dort hoch gebracht hätten. Das ist Seelennahrung für jeden Musiker, egal ob Laie oder Profi." Dem Denkmal tut‘s jedenfalls ebenso gut.

Quelle: JenaKultur