Blick in die Vergangenheit
Verlorenes Juwel: Das Lichtenhainer Bad in Jena
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Nicht viel erinnert heute an das Lichtenhainer Bad in Jena. Dabei war es wahrhaftig ein Paradies. Ein Blick in die Vergangenheit - und wie die Stadt diesem verlorenen Juwel wieder zu altem Glanz verhelfen möchte.
Jena. „Für uns als Kinder war es wie ein Paradies: Die Wasserfläche des Planschbeckens war groß, ein Spielplatz da, und das Ganze direkt an der Saale“, sagt Kay Otto. Er bewohnt ein Haus in unmittelbarer Nachbarschaft des ehemaligen Lichtenhainer Bades, hat bereits seine Kindheit dort verbracht und erinnert sich gern an die Kindheitserlebnisse in der Saaleaue. Etwa an den Saalesteg aus Holz, über den man schnell zum Schleichersee hinüberkam.
„Der war etwa 2,50 Meter breit, und immer, wenn er von der Flut beschädigt wurde, kamen die NVA-Pioniere vom Jägerberg und haben den Steg erneuert. Später ist er dann allerdings verfallen“, erzählt der beinahe 60-Jährige.
Vieles ist inzwischen verfallen, nur wenig erinnert noch an das einstige Flussbad.
Ursprünglich ein Militärbad neben vielen anderen Saalebädern
Das Lichtenhainer Bad am Burgauer Weg entstand nach dem Ersten Weltkrieg aus einer Militärschwimmanstalt des von 1867 bis 1919 in Jena stationierten Infanterie-Regiments. Diese Militärschwimmanstalt war nur eines von mehreren Saalebädern in Jena. Es gab Flussbäder beispielsweise in Zwätzen, am Gries, das Eisrechenbad unweit des heutigen Paradiesbahnhofs, an der Rasenmühlenlache, bei Wöllnitz, Burgau und Lobeda.
Denn Flussbaden diente zum Einen der Reinigung, zunehmend aber auch der körperlichen Ertüchtigung und dem Freizeitspaß. Und neben dem 1909 eröffneten Volksbad bot Jena so eine Anzahl von Möglichkeiten zum Schwimmen. Zunächst gab es überall getrennte Badezeiten für Männer und Frauen, auch Vorschriften für die Badebekleidung, aber nach und nach wurde auch gemeinsam geschwommen.
Umbau zum hochmodernen Freizeitbad nach dem Ersten Weltkrieg
Bereits 1913 stelle die Carl-Zeiss-Stiftung in Aussicht, Geld für den Neubau eines Flussbades in Lichtenhain zur Verfügung zu stellen. Denn die Stelle am Fluss war günstig: wenig Strömung und eine angemessene Tiefe wegen der Lage hinter einem Wehr. Allerdings waren da noch die Abwässer aus Lichtenhain, die in unmittelbarer Nähe in den Fluss geleitet wurden, auch wenn Hygieneprofessor August Gärtner schon längst zuvor eine Kläranlage für Lichtenhain gefordert hatte.
Mit dem Ersten Weltkrieg allerdings wurden die Pläne zunächst mal beiseite gelegt. Der Gemeindevorstand knüpfte dann nach dem Krieg an die Überlegungen zum Flussbad an, musste mit der Umsetzung allerdings warten bis Lichtenhain, Winzerla und Ammerbach 1925/26 an die Kanalisation angeschlossen waren. Dann verbesserte sich die Wasserqualität, weil die Abwässer, wenngleich nach wie vor ungereinigt, nun im Norden der Stadt in die Saale eingeleitet wurden.
1920 hatte die Stadt das Gelände der Militärschwimmanstalt aus dem Vermögen des Reiches gekauft, das Bad wurde zunächst nur provisorisch geöffnet. Dann allerdings wurde richtig Geld angefasst. Laut Unterlagen investierte die Stadt 156.000 Mark, um das Bad zu einer für damalige Verhältnisse hochmodernen Anlage zu gestalten. Es entstanden Liegewiesen, Umkleideräume, ein Kinderplanschbecken und eine Gaststätte.
Das Flussbad war für 3000 Besucher ausgelegt. Es gab Übungsschwimmbahnen in den Abmaßen von 15 mal 50 Metern. Sogar von einem Sprungturm und einer Wasserrutsche kann man lesen. Das Lichtenhainer Bad wurde am 2. Juni 1929 eröffnet. Seinen damaligen Namen als „Stadt-Bad“ erhielt es wegen einer kleinen Episode: Der Steinmetz hatte wegen eines Missverständnisses am Hauptgebäude statt „Stdt. Bad“ die Aufschrift „Stadt-Bad“ angebracht.
Erweiterung des Bades um den Schleichersee nach dem Zweiten Weltkrieg
In den 30er Jahren allerdings, nach dem Bau der Bleilochtalsperre, wurde das Saalewasser kühler. Da lag es nahe, dass die Badenden gerne den See unweit des Lichtenhainer Bades nutzten, der durch den Kiesabbau der Firma Schleicher entstanden war. Paul Schleicher, der Firmeninhaber, fand die Idee großartig, den See zum Bad auszubauen.
Aber dann begann der Zweite Weltkrieg, es gab andere Probleme in der Stadt. Die amerikanischen Truppen richteten 1945 zunächst auf dem Gelände des Lichtenhainer Bades eine Wäscherei ein. Und auch nach dem Einzug der sowjetischen Armee hatten andere Dinge Priorität. Dennoch wurde schon 1947 das Lichtenhainer Bad wiedereröffnet.
Auch der Schleichersee, obwohl dort nur Schwimmen auf eigene Gefahr möglich war. Der Stadtrat hatte sich nun für die Idee erwärmt, den Schleichersee als offizielles Bad auszubauen, er ließ deshalb eine Brücke zum angrenzenden Lichtenhainer Bad errichten. Weil es so kurz nach dem Krieg kein Holz gab, musste zunächst eine Pontonbrücke ihren Dienst tun. Da war es nun ganz praktisch: Die Besucher konnten sich im Lichtenhainer Bad umziehen, ihre Kleidung abgeben und dann – je nach Laune – im Fluss oder auch im See baden.
Parallel dazu gab's 1952/53 Planungen zum Bau eines Bades mit betoniertem Becken in Jena-Ost, denn das Saalewasser wurde nicht sauberer. Es dauerte zwar ein wenig, aber das Ostbad wurde dann 1954 eröffnet – und das Lichtenhainer Bad geschlossen. So war eine bereits 1834 begonnene Badekultur zu Ende gegangen.
Nutzung als Naherholungszentrum im Besitz von Jenapharm
Aber nach einigen Jahren hatte sich dann der VEB Jenapharm des Geländes angenommen. Denn zum Glück war das Vorhaben des Stadtrates gescheitert, das Badareal als Kohleaufbewahrung fürs Volksbad zu nutzen. Aus dem ehemaligen Verwaltungsgebäude wurde eine Gaststätte, einen Teil der Gebäude nutzten nun Jenapharmer Wassersportler als Bootshaus. Und die Sektion Wassersport der Betriebssportgemeinschaft von Jenapharm bekam einen Nutzungsvertrag für die frühere Frauenumkleidehalle und die davor liegende Wiese.
Aus dem ehemaligen Lichtenhainer Bad sollte nun ein Naherholungszentrum für die Betriebsangehörigen werden. Mitte der 60er Jahre entstand aus einem Teil der früheren Männer-Umkleideräume ein Jugendklub, eine Kegelbahn wurde angebaut. Im Juli 1968 wurde das NEZ eröffnet. In den ersten Jahren wurde auch das Planschbecken noch genutzt, später allerdings wurde es verfüllt, weil es kaputt und Material zur Reparatur knapp war.
"Der Jugendklub war damals eine richtige Attraktion", sagt Richard Schwalenberg. Der heute 81-jährige Diplomingenieur war vom Jenapharm-Betrieb beauftragt, das Naherholungszentrum auszubauen. "Wir haben dann auch einen Kinderspielplatz gebaut, das war der erste seiner Art für mich", erzählt er schmunzelnd. Dann sei der Wunsch an ihn herangetragen worden, ein Gebäude zu errichten, das auch für Feiern und betriebliche Veranstaltungen nutzbar sei.
Friedhelm Schubring entwarf das Glashaus
Das war gewissermaßen die Geburtsstunde des Glashauses, das heute noch unmittelbar an der Lichtenhainer Brücke steht. "Wir hatten einen Architekten genannt bekommen, aber dessen Entwurf hat uns nicht gefallen. Deshalb nahmen wir Kontakt mit Friedhelm Schubring auf, dem Sohn des Leiters der Bauabteilung bei Jenapharm", sagt Schwalenberg. Friedhelm Schubring habe ja auch das Glashaus an der Rasenmühleninsel projektiert.
Friedhelm Schubring, der heute in München lebt, bestätigt, dass er damals das Glashaus fürs Jenapharm-Naherholungszentrum projektiert hat. "Das war eigentlich kein sehr geliebtes Projekt von mir. Denn in erster Linie war dort an Toiletten gedacht. Alles andere, was damit entstanden ist, war eigentlich mehr Spielerei", sagte der 76-Jährige im Telefonat.
Aber die "Spielerei" war schon etwas Tolles für damalige Zeiten: bodentiefe Fenster, in einem Teilbereich ein abgesenkter Boden mit Sitzecke und Kamin. "Das war schon außergewöhnlich", sagt Richard Schwalenberg, der die Verantwortung für den Bau hatte.
Selbst Experten von der Hochschule in Weimar hätten das Haus gelobt. "Das war wie ein Ritterschlag", sagt er. Umgesetzt wurden die Ideen zum Projekt "Sozialräume mit Terrassenhalle" vom VEB Stahlbau Oelknitz, die Rechnungen von 1976 belegen dies. "Es war schwierig, das Material für dieses Glashaus zu beschaffen, wir haben dafür etliche Dienstreisen gemacht. Aber irgendwie haben wir's am Ende hinbekommen", sagt Schwalenberg.
Lange Zeit wurde das Erholungszentrum intensiv genutzt, leider auch abgenutzt. Die ehemaligen Wirtsleute berichteten, dass es 1987 im Glashaus ein Treffen mit einer Erlanger Delegation gegeben habe, für das extra die Toiletten in Ordnung gebracht worden sind.
Niedergang des Bades nach der Wende und Pläne zur Neugestaltung
Dann kam die politische Wende, Jenapharm konnte das Naherholungszentrum nicht mehr halten. Die Anlage ging wieder an die Stadt, wird vom Eigenbetrieb Kommunale Immobilien verwaltet. Das Terrain südlich der Gaststätte wird von der Anglerunion genutzt, nördlich sind die Bootssportler.
Inzwischen steht die Gaststätte seit mehr als einem Jahr leer. Das Glashaus wird vom Zirkus Momolo genutzt, der auch sein Zelt auf der Wiese davor errichtet hat. Zwischendurch gab es sogar mal die Diskussion, das Glashaus abzureißen, um einen günstigeren Zugang zur neuen Lichtenhainer Brücke zu schaffen. Und wie nun weiter?
Derzeit wird der Platz vor der leeren Gaststätte neu gestaltet. Im Rahmenplan »Sport, Freizeit und Kultur an der Saale« von 2015 steht: "Das Ensemble von Gaststätte 'Zum Saalestrand', Glashaus II und der Freifläche bis zum Ufer der Saale bietet das Potential für einen ausstrahlenden Gastronomie- und Kulturstandort mit hohen landschaftlichen Qualitäten.
Und an anderer Stelle: "Auf der Saaleseite wird mit dem Biergarten „Lichtenhain“ und der zugehörigen Saaleterrasse eine gastronomische Nutzung vorgeschlagen, die insbesondere in den Sommermonaten mit starker Belebung positiv auf das gesamte Areal ausstrahlen kann." - Bewegung ist derzeit allerdings nur auf dem Vorplatz.
Von KIJ war zu erfahren, dass es noch im ersten Halbjahr 2020 eine Ausschreibung der Gaststätte zur weiteren Nutzung geben soll. Und das Areal hin zur Saale? "Zu diesem Thema laufen derzeit mit dem Dezernat 3 intensive Gespräche", so die Mitteilung der Pressesprecherin.
Da bleibt nur zu hoffen, dass das ehemalige Lichtenhainer Bad wieder wie ein Paradies, insbesondere für die Kinder, werden kann.
Text: Barbara Glasser