Streit- oder Kampfplatz
Politischer Großeinsatz: Erlebt Jena einen schwarzen Mittwoch?
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Auf den AfD-Auftritt am Abend des 20. Januar wollen mehrere Gegendemonstrationen reagieren. Die Polizei setzt auf strikte räumliche Trennung.
Jena. Die Jenaer AfD-Landtagsabgeordnete Wiebke Muhsal musste einen Farbbeutelanschlag auf das Haus, in dem sie wohnt, hinnehmen. Sie erstattete Strafanzeige und griff in einer Presseerklärung OB Albrecht Schröter (SPD) direkt an. Der habe mit seinen Äußerungen gegen seine Neutralitätspflicht verstoßen und sich, so Muhsal, „an der Stimmungsmache“ gegen die im Thüringer Landtag vertretene AfD beteiligt.
Die Jenaer Polizei informierte am Dienstag über Graffiti an einem Gebäude des Ernst-Abbe-Platzes. Aufgesprüht war der Spruch „20.1. NO AfD! Lass die Pflastersteine liegen, es sollen Ideen fliegen“.
Entscheidungsträger der Stadt berichteten vom zunehmenden Unmut derer, die friedlich protestieren wollen und zur Auffassung gelangt seien, man müsse einmal gegen linke und rechte Militanz demonstrieren.
Spaltung in der Jenaer Bevölkerung
Drei Randnotizen, die die tief gehende, längst nicht mehr bipolar strukturierte Spaltung in der Jenaer Bevölkerung sichtbar werden lassen. Erstmals marschiert die Alternative für Deutschland in Jena auf. Bis Montagmittag waren sieben angemeldete Gegendemonstrationen von der Versammlungsbehörde zugelassen.
Es würde an ein Wunder grenzen, sollten diese Aufmärsche durchweg friedlich verlaufen. Längst ist das Grundrecht auf nicht unbegrenzt herrschende Meinungsfreiheit in zunehmendem Ausmaß verkommen zu einer gewaltsam praktizierten Selbstanmaßung auf Meinungs- und Straßenkampf.
Drang zur radikalisierten Selbstdarstellung
Im öffentlichen Raum haben Extremisten, wie auch immer aus ihrer Eigenwahrnehmung begründet, partiell und zwangsläufig befördert durch die Regeln der Medienlandschaft, die Oberhoheit übernommen. Die Einstellung zur nicht mehr zu stoppenden Flüchtlingsfrage ist dabei ein willkommener Anlass zur aktiven, häufig militanten Präsentation.
Fundamentalisten im rechten wie linken Lager nutzen fulminant den von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) seit September 2015 praktizierten und mit humanitären Überzeugungen begründeten Verfassungs- und Rechtsbruch zur Selbstdarstellung.
Im Jenaer Stadtzentrum wird am 20. Januar im schlimmsten Fall der wissentlich herbeigeführte Verfassungsbruch stattfinden. Grundrechte Anderer würden beim Ausbruch nackter Gewalt massiv verletzt werden.
Steigende Militanz der politischen Aktionen
Die Polizei will das verhindern. Mit strikter räumlicher Trennung der Kombattanten und dem aktiven Einsatz eigener Gewaltpotenziale, wenn Gewalt gegen Kundgebungsteilnehmer, Polizisten und Unbeteiligte ausgeübt wird. Sowohl die Polizei als auch die Jenaer Versammlungsbehörde erklärten am Montag zum Pressetermin unisono, in der zurückliegenden Zeit eine Radikalisierung der politischen Aktionen festgestellt zu haben.
René Treunert, der langjährige Leiter der Polizeiinspektion Jena, wollte konstatieren, das die in Jena einmal entwickelte Demonstrationskultur im Laufe der Zeit so abgebaut worden sei, dass Spielräume nicht mehr miteinander, sondern gegeneinander ausgenutzt werden würden. „Was tickt da?“, führte Treunert auf einen zentralen Punkt des politischen Alltags hin.
„Unser Souverän ist Recht und Gesetz“, erklärte der am Mittwoch zuständige polizeiliche Einsatzführer Ralf Kirsten von der LPI Jena. In diesem Sinn will auch die Versammlungsbehörde agieren. „‘Galgen‘ und Schilder mit volksverhetzendem Charakter werden nicht zugelassen und zwar auf beiden Seiten nicht“, stellte Martin Pfeifer, Fachdienstleiter Recht in der Stadtverwaltung, klar.
Bürgertelefon und eingeschränkter Nahverkehr
Zwei Informationen: Die Jenaer Polizei will ein Bürgertelefon für den 20. Januar unter 03641/811522 freischalten. Der Jenaer Nahverkehr verwies auf mögliche Störungen bei den Linien, die das Stadtzentrum passieren. Fahrgäste können aktuelle Fahrplanauskünfte am VMT-Servicetelefon unter 0361/19449 einholen.
Text: Andreas Wentzel