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Ladenöffnungen ein Schritt zu früh

Hohe Inzidenz: Stadt Jena nimmt Land in die Pflicht

Keine Öffnungen bei derzeitiger Thüringer Inzidenz: Stadt Jena fordert zur Senkung konkrete Maßnahmen vom Land.
Keine Öffnungen bei derzeitiger Thüringer Inzidenz: Stadt Jena fordert zur Senkung konkrete Maßnahmen vom Land.
Foto: Jürgen Scheere/Archiv
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Die Stadt Jena nimmt die Landesregierung in die Pflicht, endlich Regelungen zur Senkung des Inzidenzwertes zu bestimmen. Ansonsten bleiben Geschäfte und bald vielleicht auch wieder Schulen und Kitas zu.

Jena. Die Stadtverwaltung Jena bekräftigte heute einmal mehr, dass es in Thüringen derzeit zu früh sei, Lockerungen in Form von Öffnungsexperimenten anzustreben.

Aus den Entwicklungen der letzten Tage und Wochen ließen sich zwei Effekte ableiten: Auf der einen Seite habe man das ursprüngliche Virus mittlerweile gut im Griff.

Auf der anderen Seite werde dieser Erfolg aber durch die stetige Verdrängung des ursprünglichen Virus durch die Corona-Mutationen getrübt.

Durch diese Verdrängung sei man jetzt quasi in einer Situation, bei der man von einer zweiten Pandemie innerhalb der ersten sprechen könne. Dafür spräche auch der Anstieg der 7-Tage-Inzidenz von unter 50 auf heute 74,1.

Als Beispiel für diese Entwicklung nennt Enikö Bán, Leiterin des Gesundheitsamtes Jena, den Corona-Ausbruch in der Kita Weltentdecker, bei dem von 29 nachgewiesenen Fällen schon zehn als Mutationen bestätigt sind. Auch der Rest werde wohl im Zusammenhang mit Mutationen stehen, nur sei hier die Sequenzierung noch nicht abgeschlossen.

Landesregierung in die Pflicht genommen

Das Beispiel zeige die Gefahr, dass sich nach Senioren- und Pflegeheimen nun die Schulen und Kindergärten zu neuen Hotspots entwickeln.

Ein Umstand, bei dem die Stadt nun den Freistaat in die Pflicht nimmt. Die Debatte darüber, ob Kinder ein Treiber der Pandemie seien, habe bereits zu lange den Weg für entsprechende Schutzmaßnahmen behindert, zumal Studien längst belegt hätten, dass auch Kinder an dem Virus erkranken und es weitergeben können.

Konkret erläutert Oberbürgermeister Thomas Nitzsche die Möglichkeit, die Kinder und die Angestellten zweimal wöchentlich zu testen und die Gruppengröße zu verringern. Hier sei das Kultusministerium gefragt. Für die Stadt allein wäre dies nicht stemmbar.

Letztere unterstütze derweil nach Kräften die Testzentren, indem sie Schnelltests zur Verfügung stelle, die Infrastruktur einrichte und Öffentlichkeitsarbeit leiste.

Öffnungsexperimente erst bei niedrigerer Inzidenz

All das diene letztlich dem Zweck, die Inzidenz in ganz Thüringen zu senken. Nur dann könne der immer lauter werdende Ruf nach Öffnungen von Einzelhandel, Restaurants usw. auch aufgenommen werden.

Die Rufe sind vollkommen nachvollziehbar. Laut Citymanager Hannes Wolf werden vermutlich, um die zehn Prozent der Gewerbetreibenden ihr Geschäft aufgeben müssen. Diese Prognose könnte noch schlimmer ausfallen, denn gestern setzte die Bundesregierung wegen einiger schwarzer Schafe die Coronahilfen, von denen viele Betriebe abhängig sind, bundesweit aus.

Eine Öffnung ist laut Nitzsche derzeit jedoch nicht denkbar: „Der Ansatz der Bund-Länder-Konferenz, Lockerungen über einen Stufenplan zu ermöglichen, ist nicht falsch. Es ist eben gerade unser großes Unglück, dass der Freistaat Thüringen so schlecht dasteht“, so Nitzsche.

Viel sei in den Monaten November und Dezember durch inkonsequentes Handeln in Erfurt verspielt worden. Deswegen sei die Thüringer Inzidenz nun nicht beherrschbar und weit entfernt von der Inzidenz-Stufe, die Lockerungen ermögliche.

Gewerbetreibende in der Not – Kein Umsatz, keine Hilfen

Bevor man also Testprojekte wie die Kombination von Öffnungen, Schnelltests und der Kontaktverfolgung durch die Luca-App, auf deren Nutzung sich die Landesregierung gestern verständigte, starten könne, müssten erst die Zahlen gesenkt werden. Da habe auch die Stadt Jena keinen Spielraum. Dafür muss das Land einen Fahrplan vorgeben.

Zeit zu verlieren gibt es jedenfalls keine. Immer häufiger hört man die Frage, warum man in der Spielwarenabteilung im Supermarkt einkaufen kann, während der kleine Spielzeugladen gegenüber geschlossen bleiben muss. Wie will man den Ladenbesitzern, Gastronomen und Barbetreibern jetzt auch noch erklären, dass Ihnen neben den Umsätzen auch die Coronahilfen wegbrechen?

Text: Johannes Pfuch