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Eklat im Stadtrat

Seebrücke Jena wirft FDP-Mann Rassismus vor

FDP-Stadtrat Stefan Beyer.
FDP-Stadtrat Stefan Beyer.
Foto: privat
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Eklat am Rande der gestrigen Stadtratssitzung: Die Seebrücke Jena bezeichnete eine Aussage des FDP-Stadtrates Stefan Beyer als offenen Rassismus. Dieser wehrt sich gegen den Vorwurf.

Jena. Die Seebrücke Jena hat dem FDP-Stadtratsmitglied Stefan Beyer für Teile seiner Aussagen in der Stadtratssitzung am gestrigen Mittwoch Rassismus vorgeworfen.

Grund dafür war die Debatte über eine Beschlussvorlage der Seebrücke zur Verbesserung von Lebens- und Wohnbedingungen geflüchteter Menschen in Jena, die in der gestrigen Stadtratssitzung ausgetragen wurde.

„Zu behaupten, den Menschen in den Jenaer Gemeinschaftsunterkünften gehe es dort gut und sie möchten gerne in einer GU leben, ist nichts anderes als offener Rassismus.



Sich anzumaßen den Menschen offensichtlich zu widersprechen, was deren psychischen und physischen Gesundheitszustand betrifft, ist eine absolute Verleumdung der Tatsachen. Das hat mit einer demokratischen Partei nichts mehr zu tun“, wird Anouk Wagner von der Seebrücke zitiert.

Die Seebrücke argumentiert, entgegen der Meinung Beyers habe es in letzter Zeit mindestens zwei Suizidversuche in der Gemeinschaftsunterkunft im Spitzweidenweg gegeben. Die meisten dort würden sich eine Verbesserung der Lage und eine Verkürzung der Aufenthaltszeit wünschen.

Nun fordert die Seebrücke Jena Beyers Parteikollegen, Oberbürgermeister Thomas Nitzsche, dazu auf, Konsequenzen aus Beyers Äußerungen zu ziehen: „Wir fordern auch Oberbürgermeister Nitzsche dazu auf, Konsequenzen für derartige Äußerungen seines Parteikollegen in einem demokratischen Parlament zu ziehen. Was hier passiert ist eine Schande für alle humanistischen Ansprüche, die Jena haben sollte!“

Rassismusvorwurf total daneben

Ob es dazu kommt, ist mehr als fraglich. Schließlich ist der gescholtene Beyer Pfarrer, spricht Arabisch, studierte in Ägypten, engagiert sich seit der großen Flüchtlingswelle 2015 ehrenamtlich für die Geflüchteten und hat dementsprechend einen persönlichen Bezug zu der Thematik. Ein Rassismusvorwurf bei einer solchen Vita erscheint höchst zweifelhaft.

In einer Stellungnahme gegenüber unserem Blatt weist er den Vorwurf denn auch als „total daneben“ zurück. Er wisse aus seiner Arbeit, unter anderem im Spitzweidenweg, dass viele Flüchtlinge gar keine eigene Wohnung wollen.

Denn dadurch würden sie die Betreuung durch die Sozialarbeiter verlieren, die den Geflüchteten im Alltag helfen, zumal sie in den Gemeinschaftsunterkünften durchaus Landsmänner und Gleichgesinnte hätten.

Ohnehin sei der Wohnungsmarkt in Jena gerade schwierig, auch für Jenaer selbst. Wenn nun jedem Flüchtling eine Wohnung zugewiesen werde, könnte das zu gesellschaftlichen Spannungen führen angesichts derer, sie seit Monaten auf eine Wohnung warten.

Die Suizidversuche seien indes nicht bestätigt. Beyer selbst hat mit vielen Flüchtlingen gesprochen. Tatsächlich haben einige davon Depressionen. Oftmals sei dies jedoch ein allgemeines Phänomen, das aus den Umständen der Flucht, ergo der Lage in der Heimat, entstehe, nicht etwa durch schlechte Lebensbedingungen in der Unterkunft.

Rassismuskeule, wenn einem etwas nicht passt

Die Argumentation der Seebrücke sei insgesamt sehr tendenziös, sagt Beyer. Mitarbeiter der Gemeinschaftsunterkunft hätten ihm erzählt, überhaupt nicht befragt worden zu sein.

Stattdessen wirkte der Besuch der Seebrücke in der Unterkunft so, als ob sie bereits ein vorgefertigtes Bild hatten, das schließlich nach außen kolportiert wurde, dass nämlich die Lage in den Flüchtlingsunterkünften pauschal sehr schlecht wäre, was wiederum die Mitarbeiter verunsichert habe.

Umso mehr ärgert ihn das, weil diejenigen, die seit Monaten am Faulloch protestieren, kein einziges Mal bei tatsächlicher praktischer Arbeit mit Flüchtlingen gesichtet worden seien. Die seit 2015 tätige ehrenamtliche Gruppe zur Unterstützung Geflüchteter, in der er sich engagiert, werde stattdessen immer kleiner, von den Mitgliedern der Seebrücke sei dort nie jemand in Erscheinung getreten.

Stattdessen komme die Seebrücke dann mit dem Totschlagargument Rassismus, wenn jemand etwas sagt, was ihr nicht passt: „Es ist ein Problem, dass immer alles gleich als Rassismus bezeichnet wird, wenn man sich ungerecht behandelt fühlt. Das kann gefährlich werden, wenn man Mal mit echtem Rassismus konfrontiert wird“, sagt Beyer.

Beschlussvorlage der Seebrücke knapp angenommen

Unabhängig davon wurde die Beschlussvorlage, die von den Fraktionen der Grünen, Linken und der SPD im Namen der Seebrücke eingebracht wurde, im gestrigen Stadtrat mit 16 zu 14 Stimmen bei einer Enthaltung angenommen.

Trotz des Erfolges äußerte sich die Seebrücke kritisch: „Die Beschlussvorlage, die heute abgestimmt wurde, ist nur eine leicht abgeschwächte Form, des von uns vorgeschlagenen Entwurfs. Dass wenigstens dieser verabschiedet wurde, ist ein Erfolg, der jedoch nur einer bleibt, wenn die Umsetzung auch wirklich gewissenhaft erfolgt“.

Text: Johannes Pfuch