Sexuelle Belästigungen
Jena will Grabschern die "Rote Karte" zeigen
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Jena will Grabschern die Rote Karte zeigen: Junge Frauen haben in einem offenen Brief auf das Problem sexueller Belästigung in Jenaer Clubs hingewiesen.
Jena. Auf Initiative von JenaKultur trafen sich am Dienstag die Initiatorinnen zu einem Gespräch mit Clubvertretern. Einhellig wurden die offenen Worte begrüßt. Das Problem ist bekannt und wird ernst genommen. Zu den Tätern kann nur eines verallgemeinert werden: Je mehr Alkohol, um so mehr fällt die Hemmschwelle.
In den Clubs können Übergriffe der Security und dem Barpersonal gemeldet werden. Letztendlich könne nur solchen Hinweisen gefolgt werden. Hier müsse dann aber auch konsequent durchgegriffen werden.
Die Hemmschwelle ist aber groß. Auch wenn oft Frauen zum Personal gehören – keiner spricht gerne mit Fremden über das Thema sexuelle Belästigung. Deshalb wurde vereinbart, verstärkt für ein Klima zu sorgen, in welchem Übergriffe tabu sind.
Eine breite Diskussion kann Belästigungen Einhalt gebieten. Dazu werden verschiedene Ideen geprüft. Anregungen kommen zum Beispiel aus der französischen Partnerstadt Aubervilliers und von den Initiatorinnen des offenen Briefes. Im Kassablanca werden außerdem Veranstaltungen zu dem Thema angeboten.
Quelle: Stadtverwaltung
Foto: RainerSturm/pixelio.de
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Hier der Offenen Brief:
Liebe alternative Clubs in Jena,
ich hab euch eigentlich ganz schön gern.
Bei euch kann ich mir experimentelle Theaterstücke anschauen, meine Bilder ausstellen, Bustickets zu Demos kaufen und die Nächte durchtanzen. Ihr unterstützt Jugendliche und soziale Projekte.
Bei euch würde ich mich wohlig wie zuhause fühlen – wäre da nicht diese eine Sache.
Nachts fühle ich mich bei euch nicht sicher.
Ab einer bestimmten Uhrzeit werde ich oft gegen meinen Willen angefasst, geküsst, belästigt. Ich gehe nur noch selten feiern – und wenn, immer nur mit männlicher Begleitung.
Im Austausch mit anderen Mädchen und Frauen, ist aufgefallen, dass es nicht nur meine individuelle Wahrnehmung ist, sondern vielen so geht. Fast jede weiß von Erfahrungen zu erzählen, bei denen ihre persönliche Grenze überschritten wurde. Das Problem gibt es nicht nur bei euch, aber ich glaube, dass ich bei euch auf Gehör treffe.
Von linken Clubs hätte ich mehr erwartet. Ihr setzt euch für Gleichberechtigung ein, aber schafft es nicht, sie auf eurer Tanzfläche durchzusetzen. Die Atmosphäre bei euch, fühlte sich für mich nie so an, als ob ein offenes Ohr auf mich wartet, wenn ich von einem sexuellen Übergriff berichte. Ich traute mich nie, etwas bei der Security zu melden und versuchte mich so direkt wie möglich zu wehren. Wirklich erfolgreich war ich selten und Hilflosigkeit machte sich breit. Es geschah so oft, dass dieser unangenehme erniedrigende Umgang Normalität wurde.
Deshalb schreibe ich diesen Brief.
Es darf nicht sein, dass sechzehnjährige Mädchen, die das erste Mal mit Muttizettel ausgehen, von hinten angetanzt, angefasst und ohne ihr Zutun geküsst werden und denken, dass das normal ist. Ist es nämlich nicht. Das ist scheiße.
Hier seid ihr gefragt. Hängt Plakate auf, die das Bewusstsein für sexuelle Gewalt schärfen. Richtet eine Anlaufstelle für alle Betroffenen ein und macht auf sie Aufmerksam.
Gebt öffentliche Statements ab, dass fairer gleichberechtigter Umgang in euren Räumen an erster Stelle steht. Schafft eine Atmosphäre, in der sich alle – unabhängig von Geschlecht, Herkunft und Glauben – wohlfühlen. Ich bin mir sicher, dass ihr viele Helfer*innen findet. Ihr habt die Erste in mir.
Alina Sonnefeld
mit Unterstützung von Lara Treff, Hilde Teichgräber, Laura Struppert, Fiona Rost, Jenny Bornmann, Martha Kirmse