„Tag der Architektur“ 2018
Normannenhaus: Jenaer Bauhistorie aus Kalkstein
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Besuchermagnet: Zum „Tag der Architektur“ am heutigen Sonntag öffnete das „Normannenhaus“ in Jena seine Türen.
Jena. Der Jenaer Arzt Dr. Philipp Zollmann erwarb 2015 den markanten Bau im Forstweg 12. Im März 2018 konnte das „Normannenhaus“ als privat-öffentliches Veranstaltungshaus eröffnet werden.
Zum diesjährigen „Tag der Architektur“ führte die Architektin und Planerin Jutta Kehr (Erfurt) durch das 1898 eingeweihte Haus.
Die 2016 bei einer ersten Besichtigung zunächst empfundene Ablehnung, den Auftrag zur Sanierung und Restaurierung anzunehmen, wich nach Recherchen zur Historie der mit diesem Bauwerk verbundenen reizvollen Herausforderung, berichtet die Architektin im früheren Kneipenraum im Erdgeschoss.
Der war proppenvoll. Vor allem ältere Jenaer wollten nachschauen, was aus dem „Poser“ geworden ist. Ein beliebter, durchaus exklusiver Jugendklub, in den nicht jeder rein durfte.
Die detaillierte Intention des Architekten fand Frau Kehr in Worms. Dort wird der Nachlass des Mannheimer Architekten Georg Ludwig Freed (1843-1936) betreut. Freed hatte sämtliche Unterlagen zum „Normannenhaus“ archiviert. Beste Voraussetzungen, um so originalgetreu wie nur möglich zu restaurieren.
Noch sind nicht alle Arbeiten abgeschlossen. Weitere Fenster sollen Bleiverglasungen erhalten. Die rustikale Holzdecke soll mit den Farben der Turnerschaft Himmelblau-Gelb-Rot gestrichen werden. Der Aufgang von der Grete-Unrein-Straße ist noch nicht benutzbar.
Für Gäste nicht geöffnet werden der Turm (Platzenge) sowie die ehemaligen Damen- und Musikgalerien (Brandschutzgründe) im Festsaal. Dessen ehemaligen Kronleuchter wurden nach dem Wunsch des Investors durch große Ringleuchten, die verschiedenfarbig strahlen, ersetzt.
Wechselvolle Geschichte
An die Ursprünge erinnern Fotoreproduktionen von der Einweihung im Untergeschoss. Die 1843 gegründete, weltweit erste schlagende Turnerschaft mit dem Namen „Akademische Turnerschaft Normannia“ wollte sich ein Vereinsdomizil schaffen.
Warum die einer Burg nachempfundene neoromanische Architektur gewählt wurde, sei laut Frau Kehr nicht überliefert. Nach nur 14 Monaten Bauzeit konnte am 30. Juli 1898 das 68.500 Goldmark teure Haus aus Kalkstein mit einem Festakt eingeweiht werden.
1933 wurde ein Anbau für Schlafräume bewilligt, aber nicht realisiert. Die sowjetische Besatzungsmacht enteignete auch das „Normannenhaus“. Das Institut für dialektischen Materialismus hielt Einzug, passend dazu mit der Bezeichnung „Karl-Marx-Haus“ versehen. Später trafen sich hier Christen, ein Kindergarten wurde betrieben und zeitweise hielt die Jenaer Philharmonie Proben ab.
Der Schließung 1992 folgte vier Jahre später die teilweise Nutzung ab 1996 als Gaststätte. 2005 wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt.
Infos unter www.normannenhaus-jena.de.
Text: Andreas Wentzel