Kritik bleibt unerhört
Nahverkehr verschleiert Preiserhöhung als Angebotsinnovation
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Mit dem Jahreswechsel werden Bus und Bahnfahren für Berufspendler in Thüringen „mehr Wert“ – so verspricht es die Werbung für Stammfahrer des Verkehrsverbunds Mittelthüringen (VMT). Hinter der Werbeaussage versteckt sich aber in erster Linie eine Umbenennung bestehender Angebote zu deutlich höheren Preisen.
Jena. Teurer werden zum 1. Januar alle Wochen- und Monatsangebote des VMT, die künftig unter neuem Namen vermarktet werden. Aus der 9-Uhr-Abokarte, die wie es der Name sagt, ab 9 Uhr galt, wird künftig das sogenannte „Abo Solo“. Diese Fahrkarte ist künftig zwar bereits vor 9 Uhr nutzbar, dafür entfällt die bisherige Mitnahmeregelung. Werktags nach 19 Uhr und an allen Wochenend- und Feiertagen konnte bisher eine Person kostenlos mitfahren.
Die regulären Abos heißen künftig „Abo Plus“, verschlechtern sich aber entgegen ihrer Namensbezeichnung deutlich: Bislang konnten die Inhaber dieser Karte ab 19 Uhr (Wochenende und feiertags ganztags) bis zu zwei Personen kostenlos mitnehmen. Im neuen Abo darf nur noch ein Erwachsener, dafür bis zu zwei Kinder ohne Aufpreis mitfahren. Gültig ist diese Regelung immerhin werktags schon ab 18 Uhr.
Monatskarten für den Jenaer Nahverkehr steigt um 3 Euro
Der Preisunterschied zwischen dem günstigeren Abo-Solo und dem Abo Plus beträgt rund 10%. Egal, für welches Angebot man sich entscheidet – die Monatskarten werden vor allem teurer - für den Jenaer Nahverkehr beispielsweise um rund 3 Euro. Die Monatskarte für die Unistadt kostet dann 49,80 Euro und die bisherige 9-Uhr-Monatskarte (jetzt: Abo Solo) 44,90 Euro. Für manchen Pendler lohnt sich durch den Wegfall der 9-Uhr-Grenze eventuell der Umstieg auf das günstigere „Abo Solo“.
Eine Verbesserung gibt es zumindest in der Laufzeit: So müssen sich Pendler künftig nicht mehr zwölf Monate an ihre Fahrkarte binden, sondern haben schon nach vier Monaten die Möglichkeit der Kündigung.
Attraktiv wird Bus- und Bahnfahren künftig für Senioren ab 65 Jahren. Sie dürfen den gesamten Verkehrsverbund, der von Gotha über Erfurt und Jena bis nach Gera reicht, künftig für 55 Euro pro Monat beliebig oft befahren. Die Partnerkarte kostet sogar nur 27,50 Euro.
Kritik bleibt unerhört: Keine reinen Bahntickets und Bahncard-50-Anerkennung
Leider ignoriert der Verbund weiterhin die zentrale Kritik der Bahnfahrer nach einem reinen Bahntarif. Alle Verbundfahrscheine enthalten neben dem reinen Bahnticket weiterhin ein Anschlussticket für Bus und Straßenbahn. Damit wird die Fahrkarte deutlich teurer als ein reines Bahnticket. „Man hat weiterhin nicht die Freiheit das zu buchen, was man gerne möchte“, meint Dirk Hädrich aus Hermsdorf, der täglich mit der Bahn zur Arbeit nach Jena pendelt. Er wünscht sich die Rückkehr des reinen Bahn-Abos ohne Verbund: „Obwohl ich nur die Bahn nutze, muss ich den Stadtbus in Jena teuer mitbezahlen“.
Auch die zentrale Kritik von Bahncard-Nutzern kommt nicht zu den Verantwortlichen durch. Obwohl die Bahncard 50 mehr als 250 Euro pro Jahr kostet, werden die Fahrkarten im Verbund nur 25% günstiger. Oftmals bleibt nur das Bauen kreativer Umwege, um zu sparen: Für die Strecke Jena-Hermsdorf beispielsweise lohnt es sich eine Fahrkarte ab Zeutsch (außerhalb des VMT) via Hermsdorf nach Jena-West zum Preis von 6,65 Euro (VMT-Preis 4,30 Euro X 2 = 8,60 Euro) zu erwerben. Von Jena nach Crossen ist es sinnvoll die Fahrkarte bis Wetterzeube (außerhalb des Verbundes) zu verlängern. Die Ersparnis: 0,55 Euro.
Verbesserung möglich: Positives Beispiel in benachbarten Verbund
Wagt man einen Blick in den Mitteldeutschen Verkehrsverbund (MDV) zwischen Halle, Leipzig und Altenburg stellt man fest, dass es trotz Verbund möglich ist, die Kritikpunkte umzusetzen: Die Bahncard 50 wird dort auf den meisten Eisenbahnstrecken auf reine Bahntickets voll anerkannt. Jedes Abo-Premium (vergleichbar mit VMT Abo Plus) gilt dort an Wochenenden/Feiertagen sogar im gesamten Verkehrsverbund und ermöglicht die Mitnahme von einem Erwachsenen und drei Kindern.
Vielleicht sollte man in Jena nicht nur über einen VMT-Ausstieg, sondern über einen Wechsel des Verbunds diskutieren.
Text: Franz Purucker