Abschied nach 21 Jahren
FCT-Urgestein Wirth: „Der Weggang tut weh“
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Thomas Wirth trainierte 21 Jahre ununterbrochen die 1. Männermannschaft des FC Thüringen Jena. Jetzt wechselt er nach Weida.
Jena. Deutlich mehr als Otto Rehhagel (Werder Bremen), auch noch mehr als ein Arsène Wenger (Arsenal London). Nun gut, Sir Alex Ferguson (Manchester United) oder gar Guy Roux (AJ Auxerre) sind nicht zu übertreffen. 14 und 19 Jahre als Cheftrainer in ein und demselben Verein können die ersten beiden Trainerlegenden aufweisen, 27 und unfassbare 44 die beiden letzteren.
Es bleibt ein Phänomen auch im Amateurfußball, wenn ein Coach 21 Jahre am Stück eine Mannschaft in einem Verein trainiert. Mehr werden es nun nicht mehr. „Am 13. Juni findet mein letztes Pflichtspiel als Trainer des FC Thüringen Jena statt“, erklärt Thomas Wirth im Gespräch mit den Jenaer Nachrichten. Mit dem 1. Juli steht der 43-Jährige beim FC Thüringen Weida in der sportlichen Verantwortung für die 1. Männermannschaft.
Aufstieg in die Landesklasse
Eine Ära wird in Jena zu Ende gehen. Von der untersten Kreisklasse bis in die Landesliga Ost führte Wirth seine Teams. Ein Urgestein. 20 Jahre saß „Wirthi“ zudem im Vereinsvorstand an. 1993, zwischen Heilig Abend und Silvester, war der FC Thüringen gegründet worden, im darauf folgenden Jahr erfolgte der Einstieg in den Spielbetrieb. Bis 2010 konnten sich die von ihm trainierten Mannschaften tabellarisch jedes Jahr (!) verbessern, die Aufstiege bis in die Landesklasse waren der Lohn. 2014, nach schwierigen Spielzeiten, musste dann doch der Abstieg hingenommen werden.
Sein letztes Pflichtspiel könnte über das große Saisonziel entscheiden, das Team will aus der Kreisoberliga Jena-Saale-Orla sofort wieder aufsteigen. Aktuell rangiert der FCT zwei Punkte hinter Spitzenreiter SV 1910 Kahla. An diese Partie „möchte ich jetzt nicht denken“, kann sich Wirth nicht völlig frei machen vom Abschiedsgedanken. Er hätte bleiben können, dafür hätte allerdings „an einigen Schrauben im Verein gedreht werden müssen“, sagt er. Und: „Der Weggang tut weh“.
Der nächste Jenaer auf der Bank
Auf dem „Roten Hügel setzt Wirth die Reihe von Jenaern auf der Weidaer Trainerbank fort. Lutz Lindemann trainierte in den 80er Jahren den damaligen DDR-Ligisten BSG Fortschritt, es folgten ab der Jahrtausendwende Matthias Wentzel, Heiko Weber und zuletzt Jens-Uwe Penzel. Alle waren sie Profikicker, nun also ein Amateur. Er selbst sieht sich als einen Trainer, der „langfristig denkt und arbeitet“. Die 21 Jahre auf dem Sportplatz am Jenzig legen davon ein beredtes Zeugnis ab.
Weida, zurzeit Tabellenachter in der Landesklasse Staffel 1, habe ihm auch deshalb zugesagt, weil der Verein in den letzten Jahren bestrebt war, deutlich stärker auf den eigenen Nachwuchs zu setzen und sich nicht länger in finanzielle Abenteuer zu stürzen. Dem Abstieg aus der Thüringenliga 2010 folgte 2012 die Meisterschaft in der Landesklasse Ost. Doch der damit verbundene Aufstieg zurück in die Thüringenliga wurde aus finanziellen Gründen abgelehnt. In drei bis fünf Jahren soll die oberste Thüringer Spielklasse wieder angepeilt werden.
Kita-Leiter und Trainer
Der Jenenser aus Neulobeda, der bei Zeiss in die Lehre ging, ab dem sechsten Lebensjahr bei Aufbau und dann bei Schott als Offensivspieler kickte, dem mit 21 ein Totalschaden im Knie einen möglichen Wechsel zu Bayern Hof vermasselte, der später zum Heilerzieher umschulte und seit 2004 in der Kita Isserstedt, aktuell als amtierender Leiter, beschäftigt ist, will in Weida die Erfahrungen und Fähigkeiten seiner über zwanzigjährigen Trainerlaufbahn einbringen. Den B-Trainerschein erwarb er im vergangenen Jahr. Als er in den 90ern Trainer wurde, habe noch niemand nach einer Qualifizierung gefragt, erinnert er sich.
Mit taktischen System
So wie sich der Fußball im Profibereich wandelte, änderte Wirth auch seine Einstellung zum Spiel seiner Jungs. Selbst im regionalen Amateurbereich wird nach taktischen Systemen trainiert und gespielt, wobei auch auf diesem Level die Kunst darin besteht, Systeme an die individuelle Spielstärke der Fußballer anzupassen. Viel, sagt Wirth, habe er sich bei anderen Trainern abgeschaut; beispielsweis beim Zwickauer Coach Torsten Ziegner.
Diese intensive Beschäftigung mit Trainingsmethoden und Spieltaktik führte andererseits dazu, dass er sich ein Fußballspiel nun nicht mehr als Fan anschauen könne. Nur beim WM-Finale in Rio, da war auch der fußballverrückte Thomas Wirth Fan.
Text: Andreas Wentzel
Fotos: Michael Baumgarten