Fake News gestreut
Übles Marketing: Sparkasse Jena inszeniert Hausbesetzung
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Sparkasse Jena inszeniert Hausbesetzung, Hackerangriff und Fake News. Unverständnis bei Politik und Stadtgesellschaft.
Jena. Am Montagmorgen sorgten große rote Banner an den Gebäuden der Sparkassen-Filialen in Jena und dem Saale-Holzland-Kreis für Aufsehen. In rotem Stoff eingehüllte Parkbänke wurden im gesamten Stadtgebiet gesichtet.
Videos über eine nächtliche Hausbesetzung der Sparkassen-Hauptfiliale in der Ludwig-Weimar-Gasse und Zündung von Bengalos gingen am Morgen auf Instagram unter dem Namen „pofjen“ oder „Pain of Jena“ viral und sorgten für Entsetzen (wir berichteten: Nächtlicher Angriff: Maskierte besetzen Sparkasse in Jena).
Eine sehr eigenwillige, wohl eher geschmacklose Werbe-Aktion der Sparkasse, wie sich letztlich herausstellte.
Jenas Sicherheitschef Benjamin Koppe zeigte sich entsetzt: „Über eine solche Aktion erwarte ich als Vertreter der Stadt im Vorfeld informiert zu werden. Im Angesicht des Hamas-Terrors, des Krieges in der Ukraine und gewaltsamer Pro-Palästina-Demos mit aufflammendem Antisemitismus in Deutschland, darf man eine solche PR-Aktion sicherlich als deplatziert und instinktlos bezeichnen.“
Erst auf Nachfrage erreichte uns am Nachmittag eine offizielle Mail der Sparkasse, in der der Vorfall bestätigt wurde. Auch ein darauffolgendes persönliches Telefonat mit Sparkassen-Mitarbeiter Matthias Genz ließ keine Zweifel an den beschriebenen Vorkommnissen aufkommen.
Wörtlich hieß es u.a. „Grund für diese Aktion ist die Intransparenz des Bankwesens, wie aus einem Bekennervideo auf der Plattform Instagram hervorgeht.“
„Die Social-Media-Accounts der Sparkasse Jena sind übernommen und ein entsprechendes Bekennervideo veröffentlicht worden.“, so Genz.
Zahlreiche Leser-Mails erreichten unsere Redaktion nach der Veröffentlichung, in denen große Besorgnis zur Sicherheit in unserer Stadt ausgedrückt wurde.
Es wäre gerade deshalb verunsichernd, weil sich in den letzten Tagen Meldungen über Drohungen u.a. gegen Schulen in Erfurt und wie zuletzt auch an den Radiosender Antenne Thüringen häuften.
Die Aktionen erinnern an Angriffe auf Jenaer Banken in der Vergangenheit, bei denen die Oberbank (wir berichteten: Demo in Jena: Steine und Böller fliegen), Commerzbank und die Deutsche Bank (wir berichteten: Mehrere Anschläge auf Banken in Jena) zur Zielscheibe wurden.
Am späten Nachmittag dann eine anonyme Mail, dass der Angriff auf die Sparkasse eine Marketing-Aktion der Agentur „Jung & Billig“ sei und alles nur ein Fake wäre.
In der Nacht erschienen dann auf dem Instagram-Account „pofjen“ weitere Video-Clips, die diese Mutmaßungen bestätigen. Dort wird gezeigt, wie die angeblichen Hausbesetzer mit dem Bank-Schlüssel das Gebäude betreten.
Auch wird deutlich, dass der vermummte Sprecher des sogenannten Bekennervideos Vorstands-Chef Michael Rabich höchstpersönlich ist.
Rabich oder andere Vorstandsmitglieder der Sparkasse sind für die Hintergründe dieser Werbe-Aktion heute aufgrund des Feiertages nicht erreichbar.
Laut OTZ sei auch Jenas OB und gleichzeitig Vorsitzender des Verwaltungsrates der Sparkasse von einer derartigen Aktion nichts bekannt gewesen.
Entsetzen auch bei Grünen-Stadtrat Wolfgang Volkmer in einem Facebook-Eintrag: „Mit bankenkritischer Symbolik für die eigenen Geschäfte zu werben, ist schon ein dickes Ding. Ich dachte immer, Vertrauen sei die wertvollste Währung einer Bank. Zumal kommunal beaufsichtigt.“
Auch Jenas LINKEN-Chef Jens Thomas äußert sich via Facebook: „Wo verläuft für die Sparkasse Jena die Grenze zwischen Werbung und ggf. dem Vortäuschen einer Straftat? Montag war auch nicht der 1. April. Der Verwaltungsrat und sein Vorsitzender sollten sich schnell mit dem Vorgang beschäftigen. Auf die Erklärung und die Konsequenzen bin ich gespannt.“
Guntram Wothly, CDU-Fraktionsvorsitzender im Stadtrat: „Das Ziel der Sparkassenwerbeaktion, Aufmerksamkeit zu generieren, scheint übererfüllt. Das Kreditinstitut als 'Partner der Region' hat mit dieser Marketing-Aktion neben öffentlichem Interesse auch Verunsicherung und Ängste bei einem Teil der Bürger in Jena und dem SHK verursacht, wie mir zahlreiche Kurznachrichten und Anrufe belegen. Das kann ich in Zeiten von Fake News, einseitiger politischer Berichterstattung und Extremismus nicht gutheißen.“
Jetzt bleibt abzuwarten, welche Erklärung zu den Zielen der Aktion in den nächsten Tagen aus der Vorstandsetage der Sparkasse kommen wird. Sicherlich diente diese Form der Werbung-Aktion bestimmt nicht der Kundengewinnung, sondern eher der Verunsicherung.
Text: Jana Baumgarten