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Buch zur Jenapharm-Pille

"Wunschpille": Verhütung bleibt Frauensache

Der Siegeszug der „Wunschkindpille“ begann 1965 in Jena.
Der Siegeszug der „Wunschkindpille“ begann 1965 in Jena.
Foto: Jan-Peter Kasper/FSU
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Verhütung war – und ist – Frauensache! Wissenschaftler haben die Geschichte der Verhütung durch die „Pille“ untersucht.

Jena. Über Jahrhunderte versuchten Frauen, der Schicksalhaftigkeit von Schwangerschaften und Geburten zu entfliehen. Die Methoden der Verhütung standen jedoch immer unter dem hohen Risiko des praktischen Scheiterns. Mit der Erfindung chemischer Kontrazeptiva, der „Pille“, sollte sich das endlich ändern.

Wenn die "Pille" verhütet

Der Historiker Prof. em. Dr. Lutz Niethammer von der Universität Jena hat gemeinsam mit seiner Fachkollegin Prof. Dr. Silke Satjukow von der Universität Magdeburg das Buch „Wenn die Chemie stimmt …“ Geschlechterbeziehungen und Geburtenplanung im Zeitalter der „Pille“ herausgegeben. 

„Es sind Beiträge zu einer Kulturgeschichte der Fertilität“, sagt Silke Satjukow. Dabei geht der Blick der Forscher weit über Deutschland hinaus: Beschrieben werden u.a. die Situation in den einstigen sozialistischen Ostblockstaaten, in den USA in den 1960er Jahren, in Russland ebenso wie in der Bundesrepublik und der DDR.

Die Kulturgeschichte der Fertilität kennt zahlreiche Sonderwege. So ersetzte in der Sowjetunion und im heutigen Russland der Schwangerschaftsabbruch faktisch legal die Verhütung. In der DDR hingegen wurde die „Antibaby-Pille“ als „Wunschkindpille“ staatlich propagiert und gefördert. Das Präparat sollte es ermöglichen, Berufstätigkeit und Mutterschaft besser zu vereinbaren.

Geschichte der Jenapharm-Pille

Erforscht haben die Geschichte der DDR-„Wunschkindpille“ die Historiker Dr. Annette Leo und Christian König in einem Forschungsprojekt an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Sie befragten Frauen verschiedener Generationen über ihre Erfahrungen mit der „Pille“ und forschten in den Archiven. Ihre Ergebnisse haben sie in dem Buch „Die 'Wunschkindpille'. Weibliche Erfahrung und staatliche Geburtenpolitik in der DDR“ veröffentlicht.

Offiziell begann die Geschichte der „Wunschkindpille“ 1965 in Jena. In jenem Jahr brachte der volkseigene Betrieb „Jenapharm“ das neue Verhütungsmittel unter dem Namen „Ovosiston“ auf den Markt. Vorausgegangen sei dem ein Spionagefall, schreiben die beiden Autoren. Angeblich stahl ein „Kundschafter“ des Ministeriums für Staatssicherheit die Pillen-Rezeptur bei der westdeutschen Konkurrenz. Belege indes fanden König und Leo jedoch nicht.

Text: Stephan Laudien/FSU