Tag der offenen Tür
Jenaer Nahverkehr: Volksfest auf dem Betriebshof
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Ein Event mit Volksfestcharakter: Der Jenaer Nahverkehr hatte am 10. Juni zum „Tag der offenen Tür“ geladen.
Jena. Fünf lange Jahre musste ausgeharrt werden. Am 10. Juni 2017 war es soweit. Wer dies schon immer mal wollte, konnte endlich einen Linienbus fahren.
Wenn auch der Fahrspaß auf eine Runde über den Betriebshof Burgau des Jenaer Nahverkehrs beschränkt blieb. Um nun den 285,52 PS starken Mercedes „Intouro“, unter Aufsicht eines Fahrlehrers, starten zu können, mussten sich die meisten Interessenten in Geduld üben. Die Warteliste verzeichnete eine Menge Namen.
Bus-Fuhrpark zur Schau gestellt
Die angesagte „Sonderfahrt“ gehörte zum Veranstaltungsprogramm. Alle fünf Jahre bittet der Jenaer Nahverkehr zu einem „Tag der offenen Tür“. Von 10 Uhr an strömte an diesem heißen Vorsommersamstag das Volk zuhauf durchs Betriebstor in Burgau. „JN“ hatte alle Fahrzeugtypen inklusive der Oldtimer aus seinem Fuhrpark auffahren, Partner ihre Spezialbusse nach Jena rollen lassen.
Reisen wie zu sozialistischen Zeiten im „Ikarus“-Ferienbus oder wie die Drittligaprofis des FC Carl Zeiss Jena zu den künftigen Auswärtsspielen nach Zwickau oder Paderborn, bitte sehr, Einsteigen und Abfahren. Kostenlos. Galt ebenso für eine Tour im Elektrobus Sileo S10.
Die beiden im Linienbetrieb eingesetzten Straßenbahn-Modelle von Adtranz/Bombadier und Solaris lockten. Vor allem Eltern mit ihren Kindern, denn letztere konnten ungebremst auf den Knopf der Warnglocke drücken. Die Kids sollten sogar – ungestraft – einen Bus bemalen; die Motive reichten von Menschen über Bäume und Blumen bis hin zu abstrakten Gebilden. Und wo im Alltag die Karossen der Geschäftsführer geparkt werden, durften selbst junge Piloten im Fahrsimulator über die Pisten jagen.
Großer Andrang herrschte in den Werkstätten. Wann, so pries der Veranstaltungsmoderator über Lautsprecher diesen Programmpunkt an, kann der Normalbürger schon mal eine Straßenbahn von unten und oben in Augenschein nehmen?
Leitstelle hat alles im Blick
Die Leitstelle konnte kaum die neugierigen Besucher, darunter ehemalige Kollegen, aufnehmen. „JN“-Mitarbeiter Pierre Geißler erklärte den Arbeitsauftrag der hier beschäftigten Kollegen. Die müssen 24 Stunden und das an jedem Tag eines Jahres das 26,45 km lange Straßenbahnnetz mit ihren 48 Haltestellen beaufsichtigen. Wenigstens drei Bahnen, von insgesamt 38, schnurren auch in der Nacht durch Jena. Den Bussen, 29 Standard- und 15 Gelenkbusse, deren Streckenlänge mit 102 Haltestellen 70,53 km beträgt, wird eine Ruhepause zwischen 2 und 3.02 Uhr gegönnt.
Von zwei Dispatcher-Terminals, bestückt mit jeweils sechs Monitoren, wird der Betrieb überwacht. Die Aufträge zum Abstellen technischer Störungen werden hier ausgelöst oder im Falle unpünktlicher Fahrzeiten die Fahrer wieder richtig eingetaktet. Von Montag bis Freitag ist zwischen 6 und 18 Uhr der Dispatcherplatz für die Busse besetzt, außerhalb dieser Zeiten übernimmt der Straba-Dispatcher diese Arbeit. Rund 300 Meldungen – per Funk oder Telefon – gehen täglich in der Leitstelle ein. Abgegeben von den 193 JN-Fahrern (offiziell Fachkraft für Fahrbetrieb), darunter den 12 weiblichen (Tendenz in den letzten Jahren steigend).
Fragen der Besucher
Ein junger Mann, ohne dabei gutmenschelnd aggressiv zu wirken, wollte wissen, warum die englischsprachigen Ansagen in den Fahrzeugen wieder abgeschaltet wurden. Eine ältere Dame merkte sogleich an, Ausländer lebten in Deutschland und hier werde eben Deutsch gesprochen. Dies konnte der JN-Mann bestätigen und darauf verweisen, Jena sie eine multikulturelle Stadt, zusammengesetzt aus ganz verschiedenen Sprachräumen.
Eine Frau mittleren Alters erkundigte sich nach den Kameras in den Fahrzeugen. Ob etwa in Gefahrensituationen eine Live-Übertragung in die Leitstelle möglich sei? Dies verneinte Geißler mit dem Verweis auf Datenschutz. Die Aufzeichnungen könnten erst nach Fahrende ausgewertet werden. Wenn was Gefährliches passiere, könnten die Fahrer einen verdeckt installierten Alarmknopf drücken.
Sicherheit ganz wichtig
Beim Thema Sicherheit konnte Geißler zudem berichten, jeder eingesetzte Fahrer verhindere pro Arbeitstag mindestens einen Unfall. „Minimum“, wie er anfügte. Ganz selten sei ein Unfall auf einen Fahrerfehler zurückzuführen. Jenas Straßenbahn-Unfallschwerpunkt Nummer 1 am Übergang vom eigenen Gleisbett auf die Kahlaische Straße werde demnächst mit einer Ampel entschärft. Der diensthabende Dispatcher warf daraufhin ein, eine Schranke wäre noch besser. Der Blick des Mannes verriet, das sollte wohl kein Scherz sein.
Steiger brachte Überblick
Wer einen erhöhten Überblick auf das vielbeinige und -achsige Gewimmel, das eifrig am Boden dokumentiert wird von Dutzenden fotografierender Liebhaber der motorisierten Personenbeförderung, auf den Betriebshof gewinnen wollte, konnte sich mit dem Unimog-Steiger, einem der sechs JN-Spezialfahrzeuge, beachtliche 18 Meter in die Höhe schrauben lassen. Und vielleicht ist von dieser Warte aus einem der Gedanke gekommen: Wie machen die das bloß vom Jenaer Nahverkehr, unter der Woche täglich 70.000 Menschen zu befördern?
Text: Andreas Wentzel
Fotos: Jürgen Scheere