In den Alltag zurück
Tagesklinik in Jena-Ost begleitet Suchterkrankte
Teilen auf
Nach der Sucht in den Alltag zurück: Tagesklinik Wenigenjena (Jena-Ost) begleitet Patienten mit Abhängigkeitserkrankungen.
Jena. Wohnzimmeratmosphäre, statt sterile Krankenhausoptik: So empfängt die Tagesklinik Wenigenjena des Universitätsklinikums Jena (UKJ) ihre Patienten.
Seit Oktober 2019 gibt es die Tagesklinik, die Suchterkrankte nach dem stationären Entzug drei Wochen lang zurück in den Alltag begleitet oder greift, wenn ambulante Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und eine stationäre Therapie nicht geeignet ist.
In den vergangenen Wochen musste die Tagesklinik aufgrund der Corona-Pandemie ihre Türen schließen und betreut seit Ende Juni wieder die ersten Patienten.
Gerade für diese Patienten sei das eine schwierige Zeit gewesen, sagt Friederike Schwinger, pflegerische Leitung der Tagesklinik: „Unsere Patienten hatten keine Anlaufstellen und die Station für Abhängigkeitserkrankungen war die Quarantänestation zur Abklärung von Corona, sodass es keine suchttherapeutische Behandlung gab.“
Alkohol, Drogen, Opiate, Medikamente – die Bandbreite an Erkrankungen, mit denen Patienten in die Tagesklinik kommen ist groß. Eine reine Abhängigkeit sei laut Schwinger selten. Sie und ihre Kollegen sprechen von der sogenannten Komorbidität.
„Die meisten Patienten kommen nicht nur mit einer Suchterkrankung zu uns, sondern leiden an einer Begleiterkrankung wie ADHS, Schizophrenie oder einer Depression. Das macht die Therapie natürlich komplexer“, erklärt sie.
Das multimodale Konzept der Tagesklinik Wenigenjena habe den Vorteil, dass es Patienten in ihrem gewohnten sozialen Umfeld lässt. „Unsere Patienten kommen morgens und kehren abends in ihr gewohntes Umfeld zurück. Sie können das, was sie in der Therapie lernen, direkt zuhause anwenden. Wir wollen gemeinsam mit ihnen wieder eine Tagesstruktur aufbauen. Vielen fehlen Hobbies und soziale Kontakte. Auch nach der Sucht wieder arbeitsfähig zu werden, ist ein wichtiges Ziel in der Therapie“, so Schwinger.
Für eine bestmögliche Therapie arbeiten verschiedenste Experten des UKJ eng zusammen: Ärzte, Psychotherapeuten, Psychologen, Psychiatrische Pflegefachkräfte, Ergotherapeuten und der Sozialdienst.
Insgesamt können zehn Patienten gleichzeitig begleitet werden. Die Plätze sind begehrt und nicht jeder kommt laut Schwinger für die Tagesklinik in Frage. „Unsere Patienten müssen bereits entgiftet sein. Bei schwerwiegenden körperlichen Entzugssymptomen ist eine Aufnahme nicht möglich. Auch ein fester Wohnsitz, keine schweren körperlichen Erkrankungen und keine akute Suizidgefahr sind Kriterien für die tagesklinische Behandlung. Während der Therapie werden die Patienten regelmäßig toxikologisch untersucht. Wer innerhalb dieser Zeit einen Rückfall erleidet, wird allerdings nicht automatisch ausgeschlossen.“
Neben Gruppentherapien gehören viele ärztliche und psychologische Einzelgespräche, Achtsamkeits- und Entspannungstraining, aber vor allem auch das Alltagstraining zum Therapieprogramm. „Dabei gehen wir natürlich immer auf die individuellen Probleme ein. Für den einen ist es vielleicht eine Herausforderung einkaufen zu gehen, für den anderen eine Bierwerbung anzusehen“, weiß sie.
Das Feedback falle bisher sehr positiv aus und mittlerweile haben sich zahlreiche Dankesgrüße angesammelt. „Unsere Patienten schätzen insbesondere die individuellen Möglichkeiten der Therapie und die lockere Atmosphäre. Anstelle von Kasack tragen wir in der Tagesklinik Alltagskleidung. Denn für die Akzeptanz unseres Konzeptes ist es entscheidend, dass sich unsere Patienten wohlfühlen.“
Auch wenn Suchterkrankte erfolgreich ins Leben zurückgefunden haben, gibt es keine Garantie, dass sie nicht wieder einen Rückfall erleiden. Schwinger: „Wir haben natürlich Abbrüche und Patienten, die erneut zu uns kommen. Doch wir sind stolz auf jeden, der wieder in den Alltag zurückfindet.“
Text: Michelle Korneli/UKJ